Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Regionalverband Heilbronn-Franken, und das Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn, weisen darauf hin, dass ein durch ein Dampferzeuger-Heizrohr-Leck im Atomkraftwerk Neckarwestheim möglicherweise nicht beherrschbar ist.
Das Umweltministerium Baden-Württemberg hat Angaben der Organisation .ausgestrahlt bestätigt, dass 101 Heizrohre im Dampferzeuger des Atomkraftwerks „rissartige Wanddickenschwächen“ aufweisen und dass die Wanddicke z.T. mit 0,1 mm nur noch 9% des Ausgangswerts beträgt, aber gleichzeitig erklärt, ein durch Risse in Heizrohren verursachter Störfall sei beherrschbar. Die Dampferzeuger sind riesige Wärmetauscher, die die im Reaktor erzeugte Hitze weiterleiten müssen.
BUND und Aktionsbündnis weisen darauf hin, dass ein derartiger Störfall schon im Jahr 2014 vom AKW-Fachmann Dipl.-Ing. Helmut Mayer beschrieben wurde. Mayer beschreibt ein Szenario, in dem Wasser aus dem Sekundärkreislauf durch Risse in den Heizrohren in den Primärkreislauf gelangt und den Borgehalt im Primärkreislauf so weit verdünnt, dass im Reaktor auch bei eingefahrenen Steuerstäben eine unkontrollierbare Kettenreaktion stattfindet und damit im schlimmsten Fall ein Super-GAU starten würde.
Das erscheint auf den ersten Blick sehr unwahrscheinlich, da der Druck im Primärkreislauf unter Betriebsbedingungen sehr viel höher ist als im Sekundärkreislauf. Bei einem Heizrohrleck wird jedoch der Druck automatisch angeglichen, um zu vermeiden, dass radioaktives Wasser aus dem Primär- in den Sekundärkreislauf und in die Umwelt gelangt. Aufgrund physikalischer Gesetze können bei der Druckabsenkung im Primärkreislauf Dampfblasen entstehen. Dann kommt es in dem Szenario zu Kavitation der Hauptkühlmittelpumpen und zum Eindringen von unboriertem Wasser in aus dem Sekundär- in den Primärkreislauf.
Mayer kommentiert 2014: „Dieser Störfallverlauf ist bisher weder in den Betriebshandbüchern der Kernkraftwerke beschrieben noch mit dem Betriebspersonal geschult oder trainiert worden, und er ist auch den Kernkraftwerks-Krisenstäben nicht bekannt“.
Die Reaktorsicherheitskommission hat sich im Dezember 2014 mit diesem Szenario befasst und erklärt, die Menge an borfreiem Wasser, die in den Reaktorkreislauf eindringen könne, reiche nicht aus, um zu einer nicht beherrschbaren Kettenreaktion zu führen. Dem hält der Diplomingenieur in einem Interview mit dem .ausgestrahlt-magazin entgegen, dass ihre Berechnung nur funktioniert, wenn das Volumenregelsystem des Reaktors nicht verfügbar ist. Dieses System wird auf das Eindringen von Wasser aus dem Sekundärkreislauf mit der Entnahme von boriertem Wasser reagieren, was zur weiteren Verdünnung führt.
BUND und Aktionsbündnis fordern das Umweltministerium auf, das Wiederanfahren von GKN II nach der Revision zu untersagen. „Prinzip Hoffnung reicht nicht“, fordert BUND-Regionalgeschäftsführer G. May-Stürmer, „die Warnung vor einem unbeherrschbaren Störfall bei Heizrohrlecks ist gut begründet. Wenn uns nur noch 9% Restwanddicke der Heizrohre davor schützen, darf der Reaktor nicht mehr in Betrieb gehen“.
Die von der EnBW geplanten Maßnahmen – Änderungen bei der Chemie und Verstopfen von Röhren – vermitteln nach Auffassung von BUND und Aktionsbündnis keine Sicherheit, dass bis zur nächsten Revision nicht wieder neue erschreckende und überraschende Schäden auftreten.
Anlage:
EnBG: Beschreibung des Störfalls Dampferzeuger-Heizrohrleck (DEHL) mit Zusatzstörung vom 24.03.2014